19 Mrz

Warum wir über Inklusion sprechen sollten

Letztens hatte ich eine sehr interessante Diskussion mit einer Dame, die sich für das Thema Inklusion einsetzt. Inklusion – was ist das überhaupt? Im Gegensatz zu „Integration“ zielt auf die „persönliche Anpassungsleistung“ eines Menschen ab, das bedeutet, dass Unterstützungen zur Integration immer darauf hinausführen, dass ein Mensch sich bestmöglich an die vorhandene gesellschaftliche Situation anpasst. Inklusion hingegen bedeutet, dass von vornherein keine Person aus dem alltäglichen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird, indem das System dementsprechend angepasst ist und sich in einer dauernden Veränderung befindet.

Die Dame, mit der ich sprach, sitzt im Rollstuhl und erklärte diesen Unterschied anhand ihrer eigenen Situation. Wenn es für Menschen mit Behinderung, welcher Art auch immer, im Alltag keine Schwierigkeiten mehr gibt und sie sich frei bewegen können, ohne auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen zu sein, dann wäre das Inklusion. Dazu gehört aber auch, dass diese Form des „behindertenfreundlich gestalteten Alltags“ nicht mehr als milde Gabe und Entgegenkommen, sondern als Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Immerhin leben in Deutschland knapp acht Millionen schwer behinderte Menschen, das sind etwas mehr als 9% der Bevölkerung, in Österreich leben etwa 630.000 Menschen mit einer schweren Behinderung, insgesamt zählen die Menschen mit Behinderung in Österreich knapp 1,3 Millionen. Das sind fast 20% der Bevölkerung, die immer noch als „nicht normal“ wahrgenommen werden!. Und nicht zu vergessen, denn das ist der Punkt, der mich noch lange nach unserem Gespräch beschäftigte, diese Zahlen steigen mit zunehmendem Alter der Bevölkerung.

Mit dem Unterschied, dass über ältere Menschen grundsätzlich nicht im Sinne der Integration oder Inklusion nachgedacht wird. Klar, die Älteren kämpfen nicht oder kaum für ihre Rechte, bei alten Menschen wird immer noch einfach hingenommen, dass sie dies oder jenes nicht mehr machen können und wenn man viel Glück hat, wird man von der eigenen Verwandtschaft oder in einer Einrichtung überhaupt noch als Mensch gesehen – und nicht nur als Belastung. Nach diesem sehr intensiven Gespräch kam mir in den Sinn, wie es wohl wäre, wenn Rollstuhlrampen genauso normal wären wie klare und gut sichtbare Beschilderungen, mit denen nicht nur Sehbehinderte, sondern auch alte Menschen gut umgehen können. Was wäre, wenn Büroschilder und andere Türschilder grundsätzlich besser lesbar wären, genauso wie die Beschriftungen in U-Bahnen und auf Bushaltestellen? Wer jemals seine Brille zu Hause vergessen hat, wird mir beipflichten – das Leben da draußen kann auch ohne schwere Behinderung die Hölle sein. Es genügt, wenn man einfach älter wird und versucht, im Supermarkt die Herkunft eines Gemüses herauszufinden, das in einer Zweipunktschrift auf der Packung vermerkt ist.

Haben nur junge, gesunde Menschen das Recht, sich gut zu informieren? Was, wenn älter werden einfach dazu gehört und sich die Gesellschaft entsprechend verändert? Und nicht wir Älteren alles daran setzen müssen, möglichst lange jung zu wirken und mit aller Kraft zu tun, als würden wir das alles locker schaffen? Das tun wir nämlich nicht. Es beginnt mit der ärgerlich zu Hause vergessenen Brille, es endet mit Endlostreppen in Ämtern und Institutionen, mit labyrinthartig angelegten Institutionen und einem immer rapider werdenden Zeitdruck. Niemand hat mehr Zeit für lange Erklärungen.

Was wäre, wenn es nicht mehr am Einzelnen liegt, seine Beeinträchtigungen bestens zu kaschieren, sondern an der Gesellschaft, sie einfach anzunehmen? Meine Gedanken an einem trüben Spätwintertag. Und bald wird es Frühling.

Eure Celine

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